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 Artikel aus dem Main-Echo vom 2./3. August 2014

 

Kaufland ist vom Tisch

TVE-Gelände: Stadtrat Erlenbach lehnt Bebauungsplanentwurf für Warenhaus ab – Rewe und Aldi erhalten Chance

 

Erlenbach. Die Debatte war lang, die Entscheidung denkbar knapp. Mit 13 zu 12 Stimmen hat der Stadtrat am Donnerstag den Bebauungsplanentwurf für Kaufland auf dem Gelände des Turnvereins abgelehnt. Damit erteilte das Gremium dem Beschlussvorschlag von Bürgermeister Michael Berninger (CSU) eine Absage. Stattdessen stimmten die Mandatsträger mit 18 zu 7 Stimmen dafür, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für ein Fachmarktkonzept, sprich für Rewe und Aldi, aufzustellen.

Der Vorschlag für diese neue Verfahrensweise kam von Michael Pfeffer (UWV). Er orientiert sich stark an dem von Rewe/Aldi vorgelegten Alternativkonzept und beinhaltet, dass sich am TVE-Gelände kein Vollsortimenter ansiedeln darf. Vorgeschrieben ist auch, dass mindestens zwei selbstständige, getrennte und eingeschossige Baukörper entstehen. Gleichzeitig schließt der Beschluss die Anlieferung und Zufahrt für Kunden über die Miltenberger Straße aus. Außerdem muss der Plan die drei Stadtratsbeschlüsse berücksichtigen, die den Einzelhandel im Zentrum schützen sollen. Die Kosten für die Ausarbeitung des Plans trägt der Vorhabensträger, also der potenzielle Investor Werner Kunkel.

Damit steht fest: Kaufland ist im Wettbewerb um das TVE-Gelände definitiv aus dem Rennen, weil der Stadtrat dem Unternehmen das Baurecht verweigert. Unklar ist dagegen, ob Rewe/Aldi tatsächlich zum Zuge kommen und wann. In Jubel ausbrechen wollte Dominik Engel von Aldi nach der Sitzung jedenfalls nicht. „Es ist nur ein kleiner Schritt“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir haben kein Grundstück“.

Krux ist der notarielle Kaufvertrag, den der TVE mit Kaufland geschlossen hat. Das Grundstück ist zwar nach wie vor im Eigentum des Vereins, er kann aber nicht frei darüber verfügen, weil er durch den Vertrag bis August 2015 gebunden ist. Wenn bis dahin kein Baurecht besteht, können die Partner vom Vertrag zurücktreten. Dann bleibt es dem TVE überlassen, ob er mit Werner Kunkel verhandelt.                                               Sonja Maurer

 

Langwierige Debatte mit bekannten Argumenten

 

Stadtrat: Erlenbacher CSU bei Haltung zu Kaufland zweigeteilt – Befürworter befürchten „Ablenkungsmanöver“ der Konkurrenz, Gegner die Verdrängung

 

Erlenbach. Bis zu dem „kleinen Schritt“ zum neuen Bebauungsplan für das TVE-Gelände war es ein langer Weg für den Stadtrat und die Zuhörer in der Frankenhalle. Die Debatte zog sich über zwei Stunden hin, der Bürgermeister allein nahm sich rund 30 Minuten Zeit für seine Stellungnahme. Selbst den rund 80 Zuhörern hatte Berninger die Möglichkeit eingeräumt, ihre Meinung vorzubringen. „Ich lasse mir nicht mehr nachsagen, ich würde die Diskussion abwürgen“, sagte er.

Das führte dazu, dass die Stadtratssitzung zwischenzeitlich den Charakter einer Bürgerversammlung annahm und einzelne Redner mit bis zu zehnminütigen, teils dramatischen Betroffenheitsäußerungen den Fortgang lähmten.

Letztlich waren alle Argumente, egal ob von Zuhörern, Bürgermeister oder Ratsmitgliedern vorgebracht, hinlänglich bekannt. Die Kauflandbefürworter, darunter Berninger, Teile der CSU um Martin Gundert und die SPD, sahen in Kaufland eine Chance, Kaufkraft nach Erlenbach zu locken, von der auch die Innenstadt profitieren könnte. Sie führten auch die Belastung der ehrenamtlichen Mitarbeiter des TV an. „Die Nerven liegen dort blank“, so Berninger. Gundert äußerte die Sorge, das Alternativkonzept könnte ein „Ablenkungsmanöver“ sein, also zurückgezogen werden, sobald Kaufland verhindert sei. „Ich sehe die reale Gefahr, dass der Investor aus wirtschaftlichen Gründen den Kaufvertrag nicht erfüllen kann und zurücktritt. Dann steht der Turnverein ohne Käufer und ohne neue Halle da.“

So weit ging Bürgermeister Berninger nicht, sprach aber trotzdem minutenlang geäußerten Verständnisses für nahezu alle Beteiligten und seiner klaren Aussage, dass mehr Handel immer auch mehr Verkehr bringe, von der „normativen Kraft des Faktischen.“ Kaufland sei im Prinzip der wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks. „Nur wer das Grundstück hat, kann bauen.“ Eine Planung am Willen des Grundstückseigentümers vorbei sei „der falscheste Weg.“

SPD-Sprecher Werner Hillerich meinte, Kaufland habe mit seinem reduzierten Bauvorhaben „fast allen Einwendungen den Wind aus den Segeln genommen.“ Deshalb sei es unverständlich, dass das Vorhaben immer noch „torpediert“ werde. Die  SPD habe im November einstimmig Kaufland mitgetragen „und wir werden es auch heute mittragen.“

Die Kauflandgegner – die UWV, die Grünen und rund die Hälfte der CSU – führten die Beeinträchtigung des Ortsbilds, ein höheres Verkehrsaufkommen, die unzureichende Verkehrsanbindung, die Nachteile für die Anwohner und die Gefährdung des innerstädtischen Einzelhandels gegen Kaufland ins Feld. Michael Pfeffer (UWV) sah zudem ausreichend Rechtssicherheit für den TVE durch das notarielle Kaufangebot, das Werner Kunkel vorgelegt hat. Berningers Aussage, Kaufland sei wirtschaftlicher Eigentümer des TV-Grundstücks, wies er zurück: „Da sträuben sich einem Juristen die Haare.“ Zudem betonte er: „Es gibt keine moralische Verpflichtung, dass wir an einem einmal gebilligten Bebauungsplan festhalten.“

Auch Eberhard Großmann (Grüne) legte Wert auf die Feststellung „Grundstückseigentümer ist immer noch der TVE“ und sagte zum Thema Verdrängungswettbewerb: „Aldi wird Norma ersetzen, aber Kaufland hat ganz andere Auswirkungen.“

Auch Claudia Müller-Barthels, die für die Kauflandgegner der CSU sprach, führte den „massiven Verdrängungswettbewerb“ eines Vollsortimenters an. „Wenn nur 50 Prozent der Erlenbacher dort einkaufen, fallen sie zu 100 Prozent in die Verdrängung. Dann ist nur die Frage, welcher Markt zuerst schließt, denn es ist nicht doppelt so viel Geld da.“                                         son